Dr. Sepp Koch, Vorstand der “Bürger für Garching” mit der Vorsitzenden der BfG Fraktion im Stadtrat, Frau Rechtsanwältin Henrika Behler

Koch: Die Bürger für Garching sind im Jahre 2002 mit einem umfangreichen kommunalpolitischen Wahlprogramm angetreten. Wenn Sie jetzt auf die zu Ende gehende Stadtratsperiode zurückblicken, was davon hat die Wählervereinigung umsetzen können?

Behler: Zunächst ist festzuhalten, dass die Bürger für Garching, infolge der Koalition von SPD und CSU, von Anfang an in die Opposition verbannt waren, wir also nur begrenzt gestalten konnten. Die Mehrheiten bei Abstimmungen standen in den meisten Fällen schon vor den Sitzungen fest. Dennoch freuen wir uns natürlich, dass viele unserer Vorstellungen aus dem Wahlprogramm 2002 aufgegriffen und umgesetzt wurden.

Koch: Welche zum Beispiel?

Behler: Zu nennen sind hier der ortsnahe Bau eines Pflegeheims, die Ansiedlung eines Lebensmittelmarktes im Norden (Lidl), das Kino im Theater im Römerhof, die Verlängerung der kostenlosen Parkzeit im Ortszentrum, der Lärmschutz an der BAB durch Flüsterasphalt, die Sicherung einer ausreichenden Zahl von Kindergarten- und Kinderhortplätzen, die Anlage von Bolzplätzen, die Verbesserung der Schulwegsicherheit, die verstärkte Förderung der schulischen und außerschulischen Mittagsbetreuung sowie der Schulsozialarbeit oder die Verbesserung der Wasserqualität des Garchinger Sees. Die jetzt angelaufene verstärkte Umweltberatung durch das Umweltreferat in Fragen zur Energieeinsparung und zum Einsatz regenerativer Energien stand ebenso wie auch ein gemeinsames Veranstaltungsprogramm der Garchinger Vereine und das gemeinsame Kulturforum in unserem Wahlprogramm.
Letztlich sind auch unsere Forderungen nach einem Ortspark und dem Freihalten der Fläche östlich der U-Bahn zu den Isarauen von dichter Bebauung in den Stadtentwicklungsplan eingegangen.

Koch: ”Bürger für Garching – ein Stadtentwicklungskonzept” lautete Ihr Kommunalwahlprogramm 2002. Darin enthalten ist die Forderung nach einem Stadtstrukturplan mit einem Siedlungs- und Verkehrskonzept und nach einer mit den Bedürfnissen der Bürger verträglichen Planung von Wirtschaft und Forschung. Diese Gedanken wurden im Stadtentwicklungsplan aufgegriffen. Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden?

Behler: Es haben drei unserer Mitglieder aktiv am Stadtentwicklungsplan mitgearbeitet und einige unserer kommunalpolitischen Ziele flossen fast wortwörtlich in dessen Leitlinien ein. Die Zusammenarbeit in den Arbeitskreisen war im Gegensatz zu mancher Stadtratssitzung ergebnisoffen und parteipolitisch nicht vorgeprägt. Das war wohltuend, weil die besseren Argumente zählten. Dennoch hätten wir uns ein effektiveres Verfahren gewünscht und vor allem: mehr Verbindlichkeit.

Koch: Wie ist das zu verstehen?

Behler: Unter Verbindlichkeit verstehe ich, dass die Dinge auch so gemacht werden, wie sie zuvor beschlossen wurden. Wenn im Stadtentwicklungsplan beispielsweise eine Aufwertung des Gewerbegebiets in Hochbrück und eine Verringerung des Verkehrs als Ziele genannt werden, dann passt ein weiterer Logistikpark, wie dann später mehrheitlich beschlossen, einfach nicht dorthin.

Ein anderes Beispiel: Die beschlossene dichte Bebauung im Anschluss an das Pflegeheim sieht viel zu geringe öffentliche Grünflächen vor, was eindeutig den Grundlagen und Zielen des Stadtentwicklungsplans widerspricht. Außerdem sieht der Stadtentwicklungsplan eine direkte Fuß- und Radwegverbindung zum Gymnasium vor, die aber den wirtschaftlichen Interessen an dieser Stelle geopfert wurde.

“Eine direkte Fuß- und Radwegverbindung zum Gymnasium wurde den wirtschaftlichen Interessen geopfert.”

Ein weiteres Beispiel für das Umstoßen eigener Pläne: Ohne das von uns federführend mitbegründete Bürgerbegehren “Rettet die Lindenallee” , wäre die nördliche Seite der Allee jetzt zugebaut.

Koch: Es hat den Anschein, dass viele Ideen der Bürger für Garching aufgegriffen aber dann anders zu Ende gebracht wurden, als von Ihnen gedacht.

Behler: Das stimmt sicherlich, denn die Blockbildung von SPD und CSU machte die Stadtratsarbeit unheimlich schwer. Wie sollen Argumente und Verbesserungsvorschlä¤ge Gehör finden, wenn die Mehrheiten für die meisten Entscheidungen im Vorfeld von Ausschuss- und Stadtratssitzungen abgesprochen werden und daher feststehen. Oft wurden ausführliche Beschlußgrundlagen erst zur Sitzung ausgehändigt und lediglich mündlich erläutert. Am Ende wurde dann der Beschlußvorschlag der Verwaltung und des Bürgermeisters abgesegnet.

Ja, nach der Sitzung sagte mancher Stadtrat, wir hätten mit unseren Argumenten recht gehabt.

In der Öffentlichkeit hieß es dann oft, die Bürger für Garching stimmten immer dagegen. Wir stimmen doch nicht aus Prinzip dagegen, sondern haben unsere guten Argumente und wollen Verbesserungen für Vorhaben und Entscheidungen erreichen! Wenn diese nicht gehört wurden, dann haben wir mit Nein gestimmt, auch wenn wir ein Projekt im Grundsatz befürworteten.

Koch: Können Sie dafür ein paar Beispiele nennen?

Behler: Zum Beispiel der Standort des Pflegeheims: Wir waren die Ersten, die einen Antrag auf dessen Errichtung stellten. Hier war die Stadt bereits im Besitz eines östlich des Betreuten Wohnens gelegenen Grundstücks, das eigentlich zu diesem Zweck auch gekauft wurde. In einer ”Nacht- und Nebelaktion”wurde dem Stadtrat dann in der entscheidenden Sitzung der jetzige Standort gekoppelt mit der angrenzenden Wohnbebauung bis zum Prof. Angermair-Ring präsentiert. Sollten wir da ohne Verkehrsgutachten und ohne weitere Meinungsbildung zum Bebauungsplan einfach zustimmen? Wir waren Überrascht, dass auch hierfür schon die Mehrheit feststand.

Ein weiterer Vorgang: Das sogenannte Scherer Haus. Sicher ist es sinnvoll, den U-Bahnausgang in ein Gebäude zu integrieren. Aber warum ein so massiver Block in unmittelbarer Nähe der wenigen historischen und schönen Gebäude Garchings, wie dem Neuwirt und der Kirche St. Katharina? Auch hier wurde unter Zeitdruck und ohne ausreichende Diskussion entschieden. Und jetzt zuletzt: Die Situation am nördlichen Ortseingang wird immer hässlicher. Über die Studentenwohnheime konnte man schon streiten. Auch der Lidl ist sicher keine optische Bereicherung. Und was dort gerade entsteht, versteht ja Überhaupt niemand mehr: ein Supermarkt mit “Studentenhaube” So konnten wir uns nicht zur Zustimmung durchringen.

Koch: Stimmt mein Eindruck, dass oft Investoren die weitere Entwicklung mehr bestimmen als der Stadtrat?

Behler: Das haben wir oft kritisiert: Statt selbst durch Ausschreibungen und Wettbewerbe die Initiative in die Hand zu nehmen, beschränkt sich die Gestaltung seit Jahren darauf, den einzigen Vorschlag des jeweiligen Investors auf den Schild zu heben. Dies haben wir bei den Märkten im Norden ebenso wie beim Vielberth- und Logistikpark gesehen.
Als Mitglied des Stadtrats wünsche ich mir eine rechtzeitige Information, eine offene Diskussion, den Austausch von Argumenten und transparente Entscheidungen, nicht das Abnicken von Investorvorlagen.

Koch: Das erinnert mich sehr an den aktuellen Wahlslogan einer anderen Garchinger Partei “Gute Garchinger Politik braucht mehr Transparenz und aktive Bürger” Wie sehen Sie diese Aussage?

Behler: Genau das hatten die Bürger für Garching schon im Wahlprogramm von 2002 als neues Politikverständnis gefordert. Wenn dieser Gedanke jetzt von anderen aufgegriffen wird, wird man fragen müssen, warum in der vergangenen Stadtratsperiode soviel mit verdeckten Karten gespielt wurde. Deshalb denken wir, dass parteipolitisch unabhängige Bürgermeister und Stadträte offener in der Meinungsbildung sind und unabhängiger entscheiden können. So wie wir das getan haben. Die Personen, die auf unserer Liste kandidieren werden, sind fest verwurzelt in Garching; sie werden ohne Fraktionszwang und parteipolitisch ungebunden zum Wohle der Garchinger Bürgerinnen und Bürger entscheiden.

Koch: Zum Abschluß interessiert mich noch ein Ausblick auf die Entwicklung Garchings. Welche Chancen sehen Sie für Garching in den nächsten Jahren?

Behler: Trotz mancher Kritik sehe ich Garching auf einem guten Weg. In unserem Gewerbegebiet hat mit architektonisch ansprechend gestalteten Neubauten, beispielsweise der Firma Zeppelin, ein äußerlich erkennbares Umdenken und damit eine neue Qualität Einzug gehalten, die weiter zu entwickeln, wichtig ist.

An unserer nördlichen Seite stellt das Forschungsgelände seit langem einen besonderen Schwerpunkt für Garching dar. Nicht allein durch die Ansiedlung der international anerkannten Universitätsinstitute und Forschungseinrichtungen, auch durch die mittlerweile geschlossene bauliche Gestaltung und nicht zuletzt die Ansiedlung so vieler Studenten in Garching hat die Entwicklung zur Universitätsstadt nun tatsächlich eingesetzt. Hier gilt es das Zusammenwachsen von Stadt und Forschungsgelände im Sinne der menschlichen Seite unseres Stadtentwicklungsprozesses voranzutreiben. Diese Entwicklung wird allen Garchinger Bürgerinnen und Bürgern deutlich spürbare Lebensqualität bringen.

Koch: Frau Behler, ich danke für das Gespräch und bin gespannt auf die Kandidatenliste der Bürger für Garching.

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